Bürgerbegehren

Nicht mein Kirchentag: Keine 5,8 Mio. € für den Kirchentag 2027

Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) will verhindern, dass die Stadt Düsseldorf den Evangelischen Kirchentag 2027 mit mindestens 5,8 Millionen aus Steuergeldern fördert. Eben dies hatte der Rat der Stadt in seiner Sitzung am 23. Juni 2022 nach kurzer kontroverser Diskussion mit 48 Ja-Stimmen, 17 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen beschlossen. Gegen diesen Ratsbeschluss initiiert der DA! e.V. jetzt ein Bürgerbegehren. Das Ziel: Nicht der Kirchentag als solcher soll verhindert werden, wohl aber die Co-Finanzierung aus öffentlichen Mitteln der hochverschuldeten Stadt. Schon vor Ratsbeschluss hatte

der DA! darauf hingewiesen, dass eine öffentliche Finanzierung der weltanschaulichen Entwicklung der Stadtgesellschaft widerspricht: Nur noch 14 Prozent der Düsseldorfer:innen sind protestantische Kirchenmitglieder, im Jahr 2027 werden es angesichts der Kirchenaustrittszahlen noch deutlich weniger sein. DA!-Vorstand Ricarda Hinz: „Immerhin haben unsere Aktivitäten dazu geführt, dass das Thema im Rat kontrovers diskutiert wurde. Vorher hatte es ganz so ausgesehen, als ob die von der Verwaltung vorgeschlagene Millionenförderung ohne Debatte einfach durchgewunken würde.“

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Worum geht es?

Am 23. Juni 2022 hat der Düsseldorfer Stadtrat beschlossen, den Evangelischen Kirchentag 2027 mit mindestens 5,8 Mio. Euro Steuergeldern zu subventionieren. Gegen diesen Ratsbeschluss hat unser Verein, der Düsseldorfer Aufklärungsdienst e. V. (DA!), ein Bürgerbegehren initiiert.

Ziel des Bürgerbegehrens: Nicht der Kirchentag als solcher soll verhindert werden, wohl aber die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln, denn sie widerspricht der verfassungsrechtlichen Pflicht zu weltanschaulicher Neutralität der Politik: Wenn auch häufig anders dargestellt, handelt es sich doch um ein missionarisches Event mit einem hohen Programmanteil an Gottesdiensten, Bibelarbeiten und theologischen Werkstätten. Nach einer kircheneigenen Studie zum Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund nahmen darum auch nur 1 bis 3 Prozent Nicht-Christen an den Veranstaltungen teil. Aktuell sind laut Amt für Statistik und Wahlen nur noch 14 Prozent der Düsseldorfer:innen Mitglied der evangelischen Kirche. Bis zum Jahr 2027 wird diese Zahl angesichts der vielen Kirchenaustritte weiter stark sinken. Das Geld, das für den Kirchentag ausgegeben wird, fehlt der Mehrheit der Bürger:innen an vielen Stellen: Düsseldorf ist hoch verschuldet. Zahlreiche dringliche Projekte, die der Stadtgesellschaft dienen, können nicht realisiert werden.

Welche Förderung soll der Evangelische Kirchentag 2027 genau erhalten?

Der Rat der Stadt Düsseldorf hat entschieden, den Evangelischen Kirchentag 2027 mit 4,3 Mio. € in bar und 1,5 Mio. € in Sachleistungen auszustatten. Darüber hinaus soll der – noch zu gründende – Kirchentags-Verein weitere öffentliche Zuschüsse erhalten, und zwar 7,5 Mio. € vom Land NRW und 500.000 € vom Bund. Die Förderung beläuft sich für das fünftägige Fest damit auf insgesamt 13,8 Mio. €.

Zum Vergleich: Die großen Düsseldorfer Festveranstaltungen „Rosenmontag“, „Japantag“ und „Frankreichfest“ werden allesamt gar nicht von der Stadt gefördert (Ausnahme: der Japantag einmalig im Jahr 2022 mit 130.000 € aufgrund gestiegener Sicherheitsanforderungen). Und das, obwohl diese Feste jeweils etwa 1 Million Besucher:innen anziehen – und damit 10 mal so viele, wie von der Kirche selbst zu ihrem Kirchentag erwartet werden!

Was ist eigentlich ein Kirchentag?

Jedes Jahr findet ein evangelischer und ein katholischer Kirchentag statt, immer im Wechsel, und ab und zu auch mal ein ökumenischer. Die Kirchentage werden immer in einer anderen Stadt veranstaltet, kreuz und quer durch Deutschland. Es gibt Konzerte, gemeinsame Gebete und Bibelarbeit und jede Menge Vorträge über Gott und die Welt. Das Ganze hat einen Eventcharakter und besonders jugendliche Christ:innen schwärmen von den Konzerten und dem Zeltlager-Flair. Böse Zungen behaupten, dass genau das eines der Hauptziele dieser Kirchentage ist: Die Mitgliederbindung – wie man im Marketing sagen würde. Und zwar gerade in einem Segment, in dem beide Kirchen schwächeln: beim jungen Publikum

Wer ist Veranstalter eines Kirchentags?

Die Kirche versteckt sich gerne dahinter, dass der Kirchentag nicht von ihr selbst, sondern vom „Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentags“ bzw. dem „Zentralkomitee der deutschen Katholiken« organisiert werde. Denn dies seien – so die Kirche – Organisationen von Laien, die nicht über ausreichend eigene Gelder verfügen würden, um einen Kirchentag ohne öffentliche Subventionen finanzieren zu können. Für jeden einzelnen Kirchentag wird dann jeweils noch ein weiterer, eigener Verein gegründet, der die öffentlichen Fördergelder erhält und verbraucht – und später wieder aufgelöst wird! Die Kirche kann so behaupten, es sei nicht die reiche Kirche selbst, die diese Veranstaltungen durchführt, sondern diese mittellosen, „unabhängigen“ Vereine.
Richtig ist, dass eine Unabhängigkeit allenfalls auf dem Papier besteht. Der gegründete Verein aber wird jeweils nach dem Kirchentag wieder aufgelöst und niemand weiß, wie die Mittel im Einzelnen verwendet wurden. Allein das ist schon ein Skandal!

Ist ein Kirchentag nicht gesellschaftlich wünschenswert, da er Menschen zusammenbringt und Dialog fördert?

Das ist beim Blick auf die Fakten nicht der Fall. Zwar wird niemand vom Besuch eines Kirchentags ausgeschlossen, allerdings richtet er sich an einen eher geschlossenen Besucher:innen-Kreis, und es handelt es sich letztlich um eine PR-Veranstaltung der Kirche.

Nein, denn der Kirchentag ist eine Veranstaltung von und für Gleichgesinnte.
98 % der Besucher:innen eines Evangelischen Kirchentags sind Christ:innen (88 % evangelisch und 10 % katholisch), wie eine kircheninterne Untersuchung ergeben hat. Von diesen Personen ist fast die Hälfte (46%) nicht das erste Mal bei einem Kirchentag, sondern hat bereits zwei bis sechs Kirchentage besucht. Ein Drittel (34%) war bereits auf mehr als 6 solcher Veranstaltungen (1 % sogar über 20 Kirchentage). Es lässt sich also festhalten, dass sich kaum außerhalb der Kirche Stehende oder Neulinge auf einen Kirchentag verirren. Wie soll da ein Dialog mit Andersdenkenden entstehen?

Nein, denn der Inhalt ist auf christliche Mission ausgerichtet.
In der Präambel zur Ordnung des Deutschen Evangelischen Kirchentages heißt es: „Der Deutsche Evangelische Kirchentag will Menschen zusammenführen, die nach dem christlichen Glauben fragen. Er will evangelische Christinnen und Christen sammeln und im Glauben stärken.“ In der Umsetzung heißt das: 70 % der Kirchtags-Veranstaltungen sind stark religiös geprägt, mit Themenbereichen wie „Theologie und Spiritualität“, „Christsein im Alltag“, „Verkündigung“, „Kirche und Gemeinde“, „Berufe in der Kirche“ und „Kirche mit Kindern“. Auch im sog. gesellschaftspolitischen Programm finden sich Begriffe wie „Schöpfungsverantwortung“, wobei Schöpfung als mythologisches Narrativ für viele Naturalist:innen kaum als eine geeignete Diskussionsgrundlage dienen kann. Umrahmt werden die Veranstaltungen mit Eröffnungs- und Schlussgottesdiensten, täglicher Bibelarbeit, Feierabendmahl, 4x täglich sog. Tagzeitengebete und Gute-Nacht-Cafés.

Dazu ein Zitat von Ulf Poschardt, Chefredakteur der WELT 2019*: „Beim Evangelischen Kirchentag wird die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden auf ein Minimum beschränkt. Es ist eine Kultur der Abschottung. Ein Weltbild, das vor Naivität trieft.“ *Quelle: www.tinyurl.com/27bfus5e

Was hat der Düsseldorfer Rat genau beschlossen und wie kam es dazu?

Die Stadtverwaltung Düsseldorf hat dem Rat eine Beschlussvorlage vorgelegt, die den Wunschtext der Evangelischen Kirche wiedergab. Danach soll ein „noch zu gründender Verein“ mit 4,3 Mio. € in bar und 1,5 Mio. € in Sachleistungen ausgestattet werden. Darüber hinaus wurde zusätzlich „die Übernahme von Leistungen, die während der Durchführung des Kirchentages anfallen werden und derzeit noch nicht ermittelt werden können,“ versprochen.  Wir meinen: So ein Blankoscheck ist skandalös! Es gibt sonst keine Organisation, der noch vor ihrer Gründung eine solche Finanzzusage aus öffentlichen Mitteln zugesichert wird. Dennoch wurde der Beschluss mit den Stimmen der Ratsmehrheit, bestehend aus den Fraktionen der CDU und Grünen, angenommen. Eine gesellschaftliche Debatte, ob man den Kirchentag in Düsseldorf haben will oder nicht, hat nicht stattgefunden. Das wäre unserer Meinung nach aber dringend geboten gewesen. Denn die Menschen verlieren das Vertrauen in die Politik, wenn die Interessen der Religionsfreien so hartnäckig ignoriert werden. Wir wollen mit dem Bürgerbegehren auch diese Debatte einfordern.

Was genau sind eure Bedenken gegen die Förderung der Stadt Düsseldorf?

Die Förderung widerspricht der Trennung von Staat und Kirche.
Eine solche Finanzierung verletzt den rechtsstaatlichen Grundsatz der Trennung von Staat und Religion. Das Bundesverwaltungsgericht hebt hervor, dass das Neutralitätsgebot mit wachsender kultureller und religiöser Vielfalt und bei einem sich vergrößernden Anteil bekenntnisloser Menschen zunehmend an Bedeutung gewinne. Aus unserer Sicht muss die tradierte Praxis der einseitigen Bevorzugung der christlichen Kirchen daher einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche weichen. Wir fordern das Ende der staatlichen Subventionierung religiöser Veranstaltungen wie etwa der jährlichen Kirchentage. Nur so kann sichergestellt werden, dass verschiedene Weltanschauungen unter fairen und gleichberechtigten Bedingungen für ihre gesellschaftlichen Ziele werben können.

Die evangelische Kirche ist reich genug, um ihren Kirchentag selbst zu bezahlen.
In den letzten Jahren erlebten wir die erstmalige Veröffentlichung der Vermögen der Kirchen. Da hat sich gezeigt, was viele vermuteten: Die Kirchen besitzen Milliarden-Vermögen. So lagen im Jahr 2021 die Kirchensteuer-Einnahmen der evangelischen Kirche insgesamt bei 5,994 Mrd. € (also fast sechstausend Millionen Euro!). Die Kirchensteuer-Einnahmen der Landeskirche Rheinland liegen jährlich im Schnitt bei 720 Mio. €. Die Kirchen wären daher in der Lage einen Kirchentag selbstständig zu finanzieren. Und das passiert auch: Im März 2015 lehnte der Stadtrat von Münster die beantragte städtische Förderung des dort stattfindenden Katholikentags 2018 in Höhe von 1,5 Millionen € ab. Dennoch fand der Katholikentag 2018 statt und wurde nicht abgesagt. Wieso geht das nicht auch in Düsseldorf?
Diesem Vermögen der Kirchen steht die Verschuldung der Stadt Düsseldorf gegenüber: 2022 erreichte sie 1,1 Mrd. € – das sind 1.100 Mio. €!. Das Haushaltsdefizit 2022 lag bei rund 300 Mio. €. Während allein die evangelische Kirche im Rheinland nach eigenen Angaben über ein Vermögen von rund 250 Mio. € verfügt. Immobilienbesitz nicht eingeschlossen.

Nur 14 % der Düsseldorfer:innen sind noch evangelisch.
Es ist schlicht ungerecht, alle Düsseldorfer Bürger:innen – d.h. auch Kirchenferne, Andersgläubige und Konfessionsfreie – gleichermaßen zur Kasse zu bitten, um eine kirchliche PR-Großveranstaltung mitzufinanzieren. Diese Ungerechtigkeit verschärft sich, da die Kirchen zusehends weiter an Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Bundesweit fiel 2022 der Anteil der Kirchenmitglieder unter die 50%-Marke; in Düsseldorf war dies bereits 2014 der Fall. Aktuell haben wir nur noch 14% evangelische und 24% katholische Düsseldorfer:innen. Die Gründe für die Kirchenaustritte sind dabei vielfältig. Sicherlich haben die Skandale um Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt und eine patriarchale Struktur, die auf Kosten der Opfer die Täter schützt, den Kirchen zugesetzt. Generell werden die Menschen auch informierter und kritischer und damit weniger religiös. Viele merken im Erwachsenenalter, dass sie nicht freiwillig der Religionsgemeinschaft beigetreten sind, sondern hineingeboren wurden, d.h. in noch religionsunmündigem Alter ohne ihre Einwilligung aufgenommen wurden. In jedem Fall handelt es sich um einen Trend, so dass im Jahr 2027 mit einem noch deutlich niedrigeren Anteil an Kirchenmitgliedern zu rechnen ist. Lag die Austrittsquote jahrelang bei durchschnittlich 0,6%, so verlassen inzwischen jährlich 1,4% der Mitglieder ihre Kirchen. 2022 haben sogar 3% der Mitglieder die Kirchen verlassen. Demnach wird der Anteil evangelischer Kirchenmitglieder Düsseldorfs im Jahr 2027 bereits im einstelligen Prozentanteil gelandet sein.

Es ist nicht bekannt, wie das Geld eingesetzt wird.
Es klingt unfassbar, aber Fakt ist: Kirchentage legen keine Abrechnung vor! Denn Religionsgemeinschaften sind in Deutschland nicht rechenschaftspflichtig, Landesrechnungshöfe dürfen sie nicht überprüfen. So weiß auch niemand außerhalb der Kirche, ob – und falls ja wieviel – die Kirche aus eigenen Mitteln noch dazu geben wird. Und es kann keiner sagen, ob sie nicht am Kirchentag ordentlich Profit macht.
Dies steht in krassem Gegensatz zu allen sonstigen Förderungen der Stadt, bei denen für jeden Cent nachgewiesen werden muss, ob er wirtschaftlich und bindungsgemäß verwendet wurde.

Die Gelder fehlen an anderer Stelle, wo sie sinnvoller verwendet werden könnten.
Das Bereitstellen dieser absurd überdimensionierten Fördersumme für einen einzigen (noch ungegründeten) Verein und eine einmalig stattfindende Veranstaltung hat zur Folge, dass viele kleine Veranstaltungen nicht gefördert werden können und daher nicht stattfinden. Es gibt eine Vielzahl toller Veranstaltungen, die von engagierten Bürger:innen geplant und initiiert werden, mit kulturell und gesellschaftlich relevanten Inhalten, die die Vielfalt unserer Stadt betonen und ausmachen. Es macht unsere Stadt materiell und ideell wesentlich ärmer, wenn diese nicht stattfinden können.

Ist der Kirchentag nicht doch eine gute Investition für unsere lokale Wirtschaft?

Die Kirche erwartet etwa 100.000 Besucher:innen in Düsseldorf. Da sollte man meinen, dass die Stadtkasse klingelt. Die Wahrheit ist jedoch: Die Zahl der erwarteten Besucher:innen darf bezweifelt werden. Denn auch beim Katholikentag 2022 in Stuttgart wurden 100.000 Menschen erwartet, tatsächlich waren es dann jedoch nur 27.000 Teilnehmende, also nur etwa ein Viertel! Die 10 Mio. € teure Veranstaltung in Stuttgart endete so in einem finanziellen Desaster. Selbst wenn eine hohe Zahl von Besucher:innen erscheinen sollte, wird kaum ein positiver regionalökonomischer Effekt zu erwarten sein: Denn zum einen handelt es sich bei Kirchentagsbesucher:innen überwiegend um „Low-Budget“-Tourist:innen. Die Hälfte von ihnen übernachtet in privaten- und Gemeinschaftsunterkünften, nur 3-5 % der Gäste übernachten in Hotels. Die anderen 45 % übernachten gar nicht, sondern sind Tagesgäste aus der Nähe und zur Nacht wieder zu Hause.
Zum anderen ist wissenschaftlich belegt, dass die ökonomischen Effekte sogar negativ sein können: Nach einer Marktforschungsstudie der Hochschule Bremen über die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen des Evangelischen Kirchentags 2009 verzeichnete der Innenstadteinzelhandel sogar ein deutliches Umsatzminus von bis zu 40 %. Grund hierfür war, dass viele Einwohner:innen an dem Missionierungsspektakel bewusst nicht teilnehmen wollen und daher der Innenstadt an diesen Tagen lieber fernbleiben.

Der Kirchenrechtler Prof. Dr. Thomas Schüller kommentierte die Effekte in einem Interview der Zeit* aus 2022 wie folgt: „Kirchentage sind kostspielige Strohfeuer ohne Nachhaltigkeit.“ *Quelle: www.tinyurl.com/escmb3pp

Was sind eigentlich ein „Bürgerbegehren“ und ein „Bürgerentscheid“?

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind ein Mittel direkter Demokratie und gesetzlich geregelt in § 26 der Gemeindeordnung NRW.
Mit einem Bürgerbegehren verlangt ein Quorum der Bürger:innen – für die Größe Düsseldorfs sind es 3 % der Wahlberechtigten, also etwa 15.000 Unterschriften –, dass der Stadtrat sich zukünftig mit einer konkreten Frage zu beschäftigen hat oder einen bereits beschlossenen Ratsbeschluss rückgängig zu machen hat. Sollte er dies nicht tun, folgt dem Bürgerbegehren ein Bürgerentscheid. In diesem Fall wird die Frage allen Wahlberechtigten zur Abstimmung vorgelegt. Das Ergebnis des Bürgerentscheids ersetzt dann den beanstandeten Ratsbeschluss.

Wogegen richtet sich das Bürgerbehren genau?

Unser Bürgerbegehren richtet sich allein gegen den Beschluss des Stadtrates vom 23. Juni 2022, den Evangelischen Kirchentag im Jahr 2027 mit mindestens 5,8 Mio. € Zuschüssen und geldwerten Leistungen aus der Stadtkasse zu fördern. Denn dabei handelt es sich nach unserer Auffassung um eine ungerechtfertigte und überdimensionierte öffentliche Alimentierung einer rein kirchlichen Veranstaltung, die nur für eine Minderheit der Bevölkerung relevant ist und die das verfassungsgemäße Gebot zu weltanschaulicher Neutralität des Staates verletzt.
In keiner Weise richtet sich das Bürgerbegehren gegen die Durchführung der Veranstaltung selbst. Der DA! tritt mit Nachdruck für Religionsfreiheit ein – d.h. sowohl die Freiheit, einer Religion bzw. Weltanschauung anzugehören oder auch nicht – und meinen, dass es unseren religiösen Mitbürger:innen freistehen soll, Kirchentage zu organisieren und durchzuführen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Stadt bei der Durchführung des Bürgerbegehrens?

Nach dem Gesetz muss die Stadtverwaltung den Bürger:innen bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens in den Grenzen ihrer Verwaltungskraft behilflich sein (§ 26 Abs. 2 Satz 3 GO NRW). Tatsächlich wurden uns aber diverse Steine in den Weg gelegt, womit niemand gerechnet hätte:

Gerichtsverfahren zur Kostenschätzung
Die erste große Hürde war die sog. Kostenschätzung. Diese ist ein zwingender Bestandteil jedes Unterschriftenformulars und muss von der Stadt zur Verfügung gestellt werden (§ 26 Abs. 2 Satz 4 und 5 GO NRW). Wegen dieser Kostenschätzung mussten wir sogar ein Gerichtsverfahren führen – wozu wir ohne die Unterstützung unserer internen Juristen schon finanziell nicht in der Lage gewesen wären. Erst ließ die Stadt uns acht Wochen warten. Dann erhielten wir eine Kostenschätzung mit Ausführungen über zwei Seiten, die jeder Unterschriftenliste hätte beigefügt werden sollen. Darin stand, dass der Stadt ein zweistelliger Millionenbetrag entgehen würde, wenn der Kirchentag nicht stattfinden würde. Natürlich wollte sie nicht schreiben, dass die Stadt 6 Mio. € gewinnt bzw. sich diese erspart, wenn sie nicht zahlt. Außerdem wurde uns mitgeteilt, dass wir unsere zur Abstimmung zu bringende Frage zu ändern hätten, denn der Kirchentag könne ja ohne das städtische Geld gar nicht stattfinden, und deshalb seien wir gegen den Kirchentag an sich.
Mit diesem Ergebnis mussten wir vor das Verwaltungsgericht ziehen, das uns in allen Punkten Recht gab:

Der Richter sagte deutlich, dass die Kostenschätzung nur zwei Sätze lang sein dürfe und in unserem Fall der erste Satz lauten muss: Das Bürgerbegehren verursacht keine Kosten. Zudem belehrte das Gericht die Stadt, dass Umsätze keine Einnahmen sind. Auch die aufgeführten angeblichen Gewerbesteuereinnahmen mussten weit nach unten korrigiert werden (auch wenn sie letztlich immer noch viel zu hoch eingeschätzt wurden, da sie unter der Annahme stehen, dass der Einzelhandel 35 % seiner Umsätze als Gewinne verbuchen kann – realistisch sind dagegen 7 %).

Gerichtsverfahren zur Zulässigkeitsprüfung
Ein weiterer Streitpunkt war die Zulässigkeitsprüfung nach § 26 Abs. 2 Satz 6-9 GO NRW. Danach können die Vertretungsberechtigten mit 25 weiteren Bürger:innen beantragen, dass der Rat über die grundsätzliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet. Bezüglich dieses Antrags warf die Stadtverwaltung uns formelle Fehler vor und wies ihn zurück. Auch hiergegen mussten wir das Verwaltungsgericht anrufen, welches uns wiederum Recht gab und feststellte, dass die Zurückweisung schon nicht durch die Stadtverwaltung erfolgen könne, sondern sich der Rat damit zu befassen hätte. Der Rat entschied dann doch noch, in seiner Sitzung am 2.2.23 dass das Bürgerbegehren zulässig sei.

Frist für die Unterschriftensammlung
Auch bei der komplizierten Berechnung der Fristen (mit den entsprechenden Hemmungen nach § 26 Abs. 3 GO NRW) gab es unterschiedliche Ansichten. Zuletzt hat der Rat aber akzeptiert, dass die Unterschriftensammlung bis zum 21. April 2023 andauern darf.